Cannabis 2024: Fortschritte, Forschung und Hilfe in Geriatrie & Palliativmedizin

  • Ein Jahr voller Meilensteine: Von der Legalisierung bis zu neuen medizinischen Reformen.
  • Mehr Lebensqualität: Cannabis kann Schmerzen lindern und den Alltag unheilbar Kranker verbessern.
  • Positive Effekte bestätigt: Cannabis hilft bei Schmerzen, Schlafstörungen und Spastik.
  • Therapeutisches Potenzial: Terpene könnten Stress lindern und Schmerzen reduzieren.

Cannabis-Jahresrückblick 2024 

Das Jahr 2024 war für die Cannabisbranche in Deutschland äußerst dynamisch und prägend. Von der Legalisierung für Freizeitkonsum bis zu Reformen in der medizinischen Versorgung hat sich viel bewegt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen:

INDIKATION

Geriatrie, Palliativmedizin und Cannabis

Der Einsatz von Cannabis hat sich in den letzten Jahren in der Medizin etabliert – insbesondere auch in der Geriatrie und der Palliativmedizin. Die besonderen Eigenschaften von medizinischem Cannabis können ältere Menschen und unheilbar Kranke in ihrem Alltag unterstützen und ihre Lebensqualität verbessern. Doch welche Vorteile bieten Cannabis-Arzneimittel in diesen Bereichen konkret, und wie werden sie angewendet?  

 

JOURNAL CLUB

Die Grünhorn Academy stellt jeden Monat aktuelle Veröffentlichungen aus dem Bereich Medizinalcannabis vor.
Zum Jahresende stellen wir Ihnen zwei Review-Artikel vor: einen zum therapeutischen Einsatz von Cannabis bei verschiedenen Erkrankungen und des jeweiligen Evidenzgrades sowie zur Rolle der Terpene beim Entourage-Effekt. 

 
 

Eine umfassende Evidence Map zeigt die gesundheitlichen Auswirkungen von medizinischem Cannabis    

Das therapeutische Potenzial von medizinischem Cannabis hat großes Interesse geweckt, weshalb ein umfassendes Verständnis seiner Wirksamkeit notwendig ist. Dieser Review-Artikel präsentiert eine Evidence Map, die klinische Evidenz zur Anwendung von medizinischem Cannabis systematisch zusammenfasst, einschließlich behandelter Krankheiten, eingesetzter Interventionen und klinischer Ergebnisse. Von 1.840 anfänglichen Referenzen wurden 194 Studien in die Evidence Map aufgenommen. Sie zeigt verschiedene Cannabis-Formulierungen, darunter isoliertes CBD, und 71 Gesundheitsaspekte, insbesondere Schmerz und Patientensicherheit. 278 von 489 Therapieeffekten wurden als „positiv“ oder „potenziell positiv“ bewertet. Hochwertige Studien zeigten positive Effekte bei Schmerzen, Schlafstörungen, Krämpfen, Angst, Spastik, Multiple Sklerose, Inkontinenz, Anorexie und Sicherheit. Die Map betont die therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis und die Notwendigkeit weiterer Forschung.n einer früheren Studie haben die Forschenden bereits festgestellt, dass bestimmte Terpene aus Pflanzen wie Geraniol, Linalool, β-Pinen, α-Humulen und β-Caryophyllen ähnliche Effekte wie Cannabis haben. In der aktuellen Studie wurde untersucht, ob diese Terpene auch anti-nozizeptive Effekte haben. Die Ergebnisse des Mausmodells zeigen, dass Terpene die Schmerzen genauso gut linderten wie Morphin. Zusätzlich fanden die Forschenden heraus, dass die Terpene keine suchterzeugenden Effekte hatten. Interessanterweise verstärkte eine Kombination aus niedrigeren Dosen der Terpene und Morphin die Schmerzlinderung. Zur Aufklärung des Wirkmechanismus wurde der A2A-Rezeptor im Rückenmark der Mäuse blockiert, wodurch sich die Wirkung der Terpene abschwächte. Weitere Laborstudien zeigten, dass die Terpene wahrscheinlich direkt an diesem Rezeptor ansetzen. Zusammengefasst deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Terpene aus Cannabis möglicherweise als neue Behandlungsmöglichkeit für chronische Schmerzen genutzt werden können.

Montagner P, de Salas Quiroga A, Ferreira AS, Duarte da Luz BM, Ruppelt BM, Schlechta Portella CF, Abdala CVM, Tabach R, Ghelman R, Blesching U, Perfeito JPS, Schveitzer MC. Charting the therapeutic landscape: a comprehensive evidence map on medical cannabis for health outcomes. Front Pharmacol. 2024 Nov 26;15:1494492.

Terpene beeinflussen die Wirkung von medizinischem Cannabis 

Diese Studie untersucht die möglichen komplementären oder synergistischen Wirkungen von Inhaltsstoffen medizinischen Cannabis, insbesondere Terpenen, im Rahmen des sogenannten Entourage-Effekts. Eine Analyse der verwendeten Studien ergab keine Hinweise auf neuroprotektive oder antiaggregatorische Effekte von α-Pinen und β-Pinen gegen β-Amyloid-Toxizität. Allerdings kann die Hemmung der Lipidperoxidation durch α-Pinen, β-Pinen und Terpinolen zur neuroprotektiven Wirkung beitragen. Myrcen zeigte entzündungshemmende Eigenschaften bei topischer Anwendung, jedoch keine signifikanten zusätzlichen Effekte in Kombination mit CBD. Explorative Hinweise deuten auf therapeutische Vorteile hin, wie Myrcen zur Entspannung, Linalool als Schlafhilfe und Stresslinderung, D-Limonen als Analgetikum, Caryophyllen für Kältetoleranz und Schmerzlinderung, Valencen zum Knorpelschutz, Borneol mit antinozizeptiven und antikonvulsiven Potenzialen sowie Eucalyptol gegen Muskelschmerzen. Obwohl Terpene mögliche Einflussfaktoren auf die therapeutische Wirkung von Cannabinoiden sein könnten, ist eine synergistische Verstärkung durch Terpene bisher nicht bewiesen. Weitere klinische Studien sind notwendig, um den Entourage-Effekt von Terpenen zu bestätigen. 

André R, Gomes AP, Pereira-Leite C, Marques-da-Costa A, Monteiro Rodrigues L, Sassano M, Rijo P, Costa MDC. The Entourage Effect in Cannabis Medicinal Products: A Comprehensive Review. Pharmaceuticals (Basel). 2024 Nov 17;17(11):1543.awa Z, Lewis D, Gavin PD, Libinaki R, Joubran L, El-Tamimy M, Taylor G, Meltzer R, Bedoya-Pérez M, Kevin RC, McGregor IS. An open-label feasibility trial of transdermal cannabidiol for hand osteoarthritis. Sci Rep. 2024 May 23;14(1):11792.

UNTERSTÜTZUNG IM PRAXISALLTAG

Wir sagen Danke

Die Grünhorn Academy bedankt sich an dieser Stelle für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Jahr 2024. Wir hoffen, wir konnten Sie mit unseren Angeboten (u.a. den Info-Abenden, dem Grünhorn Academy Podcast, den Newslettern) in Ihrer Arbeit unterstützen. Daran möchten wir auch im kommenden Jahr anknüpfen und stehen Ihnen wie gewohnt unter medical@gruenhorn.de bei allen Fragen rund um medizinisches Cannabis, Literatur und die Verschreibung gern zur Verfügung.   
 
Dr. Nadine Herwig
Leiterin der Grünhorn Academy
Biochemikerin