Cannabinoidtherapie neu gedacht: Evidenz, Praxis & Perspektiven 

  • Weniger Opioide: Studien zeigen: Medizinalcannabis kann Opioide bei chronischen Schmerzen deutlich reduzieren. 
  • Tinnitus & ECS: Neue Ansätze setzen auf das Endocannabinoid-System zur Linderung belastender Ohrgeräusche. 
  • Endometriose: 47 % der Cannabis-Nutzer:innen halbieren ihre Schmerzmittel – höchste Wirksamkeit unter allen Selbsthilfestrategien.
  • Jetzt im Podcast: Aktuelle Evidenz und praxisnahe Impulse zur Cannabinoidtherapie – kompakt und verständlich aufbereitet.

Weniger Opioide dank Medizinalcannabis? 
Ein neuer Beitrag der Grünhorn Academy beleuchtet das Potenzial von medizinischem Cannabis zur Reduktion von Opioiden in der Schmerztherapie. Die Ergebnisse basieren auf aktuellen Studien und zeigen praxisnahe Ansätze für eine verantwortungsvolle, individuelle Behandlung. Besonders im Fokus: die Rolle von Cannabinoiden als ergänzende oder alternative Option bei chronischen Schmerzen. 
Lesen Sie, wie eine gezielte Therapie mit Medizinalcannabis die Lebensqualität von Patient:innen verbessern und gleichzeitig die Risiken einer langfristigen Opioid-Gabe verringern kann.

INDIKATION

Tinnitus und Cannabis

Tinnitus – das Wahrnehmen von Geräuschen ohne äußere Schallquelle – betrifft Millionen Menschen weltweit. Die Symptome reichen von leichtem Rauschen bis zu belastendem Pfeifen und können Schlaf, Konzentration und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. In der Suche nach neuen Behandlungsansätzen rückt das Endocannabinoid-System (ECS) und der Einsatz von Cannabis zunehmend in den Fokus. 

 
Nähere Informationen zur Evidenzlage, sowie zur Anwendung und möglicher Risiken können Sie hier nachlesen:

JOURNAL CLUB

Die Grünhorn Academy stellt jeden Monat aktuelle Veröffentlichungen aus dem Bereich Medizinalcannabis vor.
Dieses Mal stellen wir Ihnen eine aktuelle Studie zum Einsatz von medizinischem Cannabis bei Endometriose und zum anderen einen Übersichtsartikel zum Einsatz von Medizinalcannabis bei neuropathischen Schmerzen vor.
 
 

Cannabis als wirksame Selbsthilfe bei Endometriose-Schmerzen  

Die Studie einer Arbeitsgruppe an der Charité zeigt, dass Cannabis eine zentrale Rolle in der nicht-medikamentösen Behandlung von Endometriose-Schmerzen spielt. Unter den 912 befragten Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gaben 16,6 % an, Cannabis in den letzten sechs Monaten zur Schmerzlinderung eingesetzt zu haben – trotz der damals noch eingeschränkten rechtlichen Verfügbarkeit. Von diesen Nutzerinnen berichteten 47,7 %, dass sie ihre medikamentöse Schmerzbehandlung durch Cannabis um mehr als die Hälfte reduzieren konnten. Damit wurde Cannabis als wirksamste aller erfassten Selbstmanagement-Strategien bewertet – mit einer durchschnittlichen Effektivität von 8,0 auf einer Skala von 0 bis 10. Im Vergleich dazu schnitten andere Maßnahmen wie Wärme (7,1), Osteopathie (7,3) oder CBD-Produkte (6,3) deutlich schwächer ab. Trotz der hohen Wirksamkeit stellt Cannabis für viele Betroffene eine finanzielle Belastung dar – mit durchschnittlichen monatlichen Kosten von knapp 100 Euro. Die Studie macht deutlich, dass neben klassischen Medikamenten auch alternative Therapieformen wie Cannabis ein hohes Potenzial besitzen, um chronische Schmerzen bei Endometriose zu lindern. Gleichzeitig fordern die Autor:innen eine stärkere Anerkennung und finanzielle Unterstützung solcher Maßnahmen im Gesundheitssystem. Cannabis könnte für viele Patientinnen eine echte Alternative oder Ergänzung zur herkömmlichen Therapie darstellen – insbesondere dann, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder zu starke Nebenwirkungen verursachen.

Werner F, Jasinski V, Velho RV, Sehouli J, Mechsner S. The role of self-management in endometriosis pain: insights from a cross-sectional survey in Germany, Austria, and Switzerland. Arch Gynecol Obstet. 2025 Apr 19.

Cannabinoide bei Nervenschmerzen: Wirksam, verträglich – und ausbaufähig

Die Übersichtsarbeit von Khan et al. befasst sich mit dem therapeutischen Potenzial von Cannabinoiden in der Behandlung neuropathischer Schmerzen (NP). Die Autoren analysierten 11 randomisierte kontrollierte Studien aus den Jahren 2014 bis 2024 und kombinierten diese mit pharmakologischen Grundlagen zur Wirkweise von Cannabinoiden. Die Studien belegen, dass Cannabinoide – insbesondere THC und CBD – über CB1- und CB2-Rezeptoren analgetisch wirken, die Freisetzung von Neurotransmittern hemmen und entzündungshemmende Prozesse fördern. Verschiedene Darreichungsformen wurden untersucht, darunter orale Präparate, inhalative Systeme sowie erste Studien zu intranasalen Anwendungen. Die klinischen Ergebnisse zeigen insgesamt eine moderate, aber signifikante Schmerzlinderung, vor allem bei Patient:innen mit therapieresistenter NP. Besonders wirksam waren Kombinationstherapien mit Cannabinoiden und gängigen Schmerzmitteln wie Gabapentin. CBD- oder CBDV-Monotherapien hingegen zeigten gemischte bis geringe Effekte. Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel oder Mundtrockenheit traten häufig auf, wurden aber meist als mild beschrieben. Kritisch angemerkt wird die starke Heterogenität der Studien hinsichtlich Formulierungen, Dosierungen und Patientengruppen. Trotz dieser Einschränkungen sprechen die Ergebnisse für eine gute Verträglichkeit und ein relevantes therapeutisches Potenzial von Cannabinoiden bei neuropathischem Schmerz. Die Autoren fordern gezielte Forschung zu Langzeitsicherheit, optimalen Dosierungen und individuellen Respondern, um eine evidenzbasierte, personalisierte Cannabinoidtherapie zu ermöglichen.

Khan MG, Hussain SHA, Alkhayl FFA, Ahsan M, Ridha-Salman H. Cannabinoids in neuropathic pain treatment: pharmacological insights and clinical outcomes from recent trials. Naunyn Schmiedebergs Arch Pharmacol. 2025 Apr 22

UNTERSTÜTZUNG IM PRAXISALLTAG

Cannabinoidtherapie im Fokus: Der Experten-Podcast der Grünhorn Academy
Im Podcast der Grünhorn Academy sprechen wir mit führenden Expert:innen aus Medizin, Forschung und Praxis über aktuelle Entwicklungen rund um die Cannabinoidtherapie. Von klinischer Evidenz bis Versorgungspraxis – jede Folge beleuchtet ein zentrales Thema aus verschiedenen Perspektiven. 
Ob Neuropathie, Endometriose oder individualisierte Schmerztherapie: Hier erhalten Sie fundiertes Wissen zum Nachhören – kompakt, verständlich und auf dem neuesten Stand. 
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Wenn Sie weitere Fragen, Anmerkungen oder Wünsche haben können Sie sich jederzeit an medical@gruenhorn.de wenden.